-:Peter ZweyZu Wislawa Szymnborska der Augenblick-GedichteDer Augenblick, der neue Gedichtband der polnischen Dichterin und Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska bringt neue wörtliche Wunder hervor, die durch die meisterhafte Übersetzung des Karl Dedecius hindurch
..sogar uns Deutschen vernehmlich sind
Wieder bewundern wir, wie sie aus gewöhnlichen Wörtern, die uns allen wohl bekannt sind aus dem alltäglichen Gebrauch, Bedeutungen wie paradoxe
.weiße Schattenhervorbringen kann
I
n der Garderobe der Natur
.Sind viele Kostüme
.Das Kostüm der Sonne, der Möew, der Feldmaus
Die Verse kommen federleicht daher, originell und witzig beinah. Doch sie sidn in ihrer Bedeutung kaum ganz zu durchdenken. Alles Kleider? Von wem? Vom Schöpfer? Von der Natur? Die Seele bleibt draußen, nein? Die
:Kleiderthese wirft bange Fragen auf
,Ich hätte ich selbst sein können-doch ohne Staunen
,und das würde bedeuten
.jemand ganz andererDer Vers trägt plötzlich diskursive Kleider, also andere denn die der Natur,. Doch es ändert sich nichts an der Frage: woraus sind wir gemacht, worin gründen wir wirklich? Wirklichkeit ein zu großes Wort, um das es aber geht, und das dauernd umkreist wird von den empfindsamen aufgeregten stillen
.Fragen der Dichterin
Sie erinnert uns an Rilke, der wie sie glaubte, wenn die Fragen eines Tages sich vollkommen richtig stellen, enthalten sie urplötzlich alle Wege zur Antwort.
,Mir träumt die Gewißheit
.daß mich ein Verstorbener anruft
Denn es ist denkbar sogar, daß wir nichts als die Verkörperung der Gedanken bereits verstorbener Vorgänger sind. Alles ist denkbar, das macht die Unruhe in uns, deren unsichtbaren Marmor die Dichterin bearbeitet. Die
.Unruhe, aus der sie spricht und über die sie uns trösten kann
,Aus unklaren Gründen
unter unbekannten Umständen
.hörte das Ideale Sein auf, sich zu genügenEin schreckliches Ereignis, wann geschah es, am Ende des Ursprungs? Warum gab es bloß keine Uhr damals? Wir kennen die Gründe nicht, auf
.denen wir gehen und träumen
Warum bloß mußte es Eindrücke suchen
?In der schlechten Gesellschaft der Materie.Fragen, die Platon als erster stellte udn die nicht mehr verstummen seither
Dichtung ist allenfalls Ersatz, Trost, Lückenbüßer für diesen Verlust der Selbstgenügsamkeit des idealen Seins. Manche sagen dafür auch Vertreibung
.aus dem Paradies, das sich mit jedem Ende einer Kindheit wiederholt
,Was nutzen ihm die Nachahmer
,die mißratenen, vom Pech verfolgten
?ohne Aussicht auf EwigkeitAch ja die Kunst. Doch wenn die Verse nicht so hellwach wären , die uns keine Ausflucht gönnen, könnte man glauben, sie dienten der Selbstquälerei. Doch das Dringende der Fragen, das Andrängende darin ist die eigentliche Aktualität, die uns schmerzt und an den Fetisch „Zukunft aller Hoffnung“ kettet
:Denn
.Eine Seele hat man
Keiner hat sie unentwegt
.Und für immerWas bitte heißt hier unentwegt? Welche Wege gibt es, auf denen die Seele
?andauernd wandeln könnte
Sie assistiert nur selten
,Bei mühsamen Tätigkeiten
-wie Möbelrücken, Kofferschleppensie also brachte uns auf den Geschmack der Privilegien, des Luxus und der
?zwecklosen Tätigkeit ohne den Schweiß der Materie
,Wenn unser Körper zu schmerzen beginnt
.macht sie sich heimlich davonZum Glück, oder könnte sie uns da nicht wenigstens helfen? Wo aber und wann zeigt sie sich, können wir da etwas mehr wissen? Endlich entlässt uns
:die Szymborska aus unserer Fragenot
,Wir können auf sie zählen
,wenn wir ganz unsicher sind
.und neugierig auf alles
Also in dem Zustand, in den uns die Gedichte der Szymborska versetzen? Gewiß., das ist diese Ungewißheit, die uns quält und wohltut, die unsere
.Begierde auf Wissen, mehr Wissen stetig steigern hilft
:Doch dann wieder der sybilisncihe Schluss
,Es sieht so aus, daß so, wie wir sie
auch sie uns
.Zu irgend etwas brauchtEs sieht alles aus wie in der Garderobe der Natur, die doch nicht einfach
.umsonst geschaffen sein kann
Diese Auskunft genügt und versetzt uns wortwörtlich sogar in ein hohes
..Vergnügen
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Wislawa Szymborska: Augenblick / Chwila Gedichte. Polnisch und deutsch. 'Bibliothek Suhrkamp'. 11 € 80